29. März 2021

Bei Risiken und Nebenwirkungen: Die Wahl der Apotheke kann entscheidend sein

Die medizinische Versorgung hört nicht nach dem Besuch beim Arzt oder der Ärztin auf: Auch die Beschaffung von notwendigen Medikamenten muss barrierefrei für alle möglich sein.

Von Gesine Kästner

Ilustraion verschiedener bunten Pillen auf gelbem Grund. / Lynn Groß

Die medizinische Versorgung hört nicht nach dem Besuch beim Arzt oder der Ärztin auf: Auch die Beschaffung von notwendigen Medikamenten muss barrierefrei für alle möglich sein. Wenn Personen aus unguten Vorahnungen oder wegen vergangener negativer Erfahrungen bestimmte Fragen in der Apotheke nicht stellen können, wenn sie bei Abholung und Kauf von Arzneimitteln mit verunsichernden oder übergriffigen Kommentaren zu tun haben, oder wenn sie den Besuch der Apotheke gar Woche oder Monate hinauszögern, dann entsteht eine Lücke in der Gesundheitsversorgung, die schädlich sein kann.
 
Nicht jede Apotheke und nicht jede*r Apotheker*in sind auf die Herausgabe von bestimmten Medikamenten immer adäquat vorbereitet, oder wahren immer die angemessene professionelle Distanz. Sei es der Kauf der Pille danach, die Herausgabe von Medikamenten zur Unterstützung eines Transitionsprozesses, Hormonpräparaten im allgemeinen oder Medikamenten zur Behandlung von Geschlechtskrankheiten: Nicht immer können sich Kund*innen darauf verlassen, dass sie mit ihren Wünschen und Anliegen fachkundig und freundlich beraten werden.
 
Eigentlich ist es keine sonderlich schwere Rechnung mit außergewöhnlich vielen Unbekannten – im Gegenteil, eigentlich ist es ganz einfach: 

Ein*e (gute*r) Apotheker*in weiß Bescheid, berät zu unterschiedlichen Arzneimittelvarianten und Preisunterschieden, aber moralisiert und bewertet nach Möglichkeit nicht und ist dabei noch darauf sensibilisiert, dass der oder die Kund*in sich in der akuten Situation nicht wohlfühlen könnte. Und wenn es doch an der Empathie mangelt, so sollte zumindest eine sachliche Herangehensweise erwartet werden dürfen.
 
Insbesondere bei der Notfallverhütung kann es passieren, dass die Nerven ohnehin schon blank liegen und der Kauf der Pille danach als solches verunsichernd, beängstigend oder womöglich auch als Spießrutenlauf empfunden wird. 

Seit dem 14.03.2015 sind die entsprechenden Medikamente in Deutschland rezeptfrei erhältlich und auch die Einverständniserklärung der Erziehungsberechtigten ist bei Jugendlichen ab 14 Jahren nicht gesondert notwendig. Es wird übrigens auch nirgends ausdrücklich erklärt, dass (cis) Männer vom Kauf von Notfallkontrazeptiva ausgeschlossen sind. Mitunter kann es jedoch passieren, dass ein*e Apotheker*in die Präparate nicht herausgeben möchte, wenn keine weiblich gelesene Person beim Kauf dabei ist. Was schlicht anmaßende Interpretation bzw. reine Fehlannahme des*der Apotheker*in ist.
 
Letztlich ist es ganz egal, um welches Medikament es sich handelt, oder warum sich eine Person, die es benötigt, beim Kauf oder der Abholung unwohl fühlen könnte - es kann nicht schaden, einige Punkte zu bedenken und bei der Wahl der Apotheke zu berücksichtigen: 

  • Sich eventuell schon im Vorfeld darüber informieren, ob Bekannte oder Freund*innen von einer Apotheke abraten. Oder  im Gegenteil: ob sie womöglich Apotheken mit besonders guter (ggf. diskreter) Beratung empfehlen können.
  • Eine vertraute Person mitnehmen, die möglicherweise auch das Wort übernehmen kann und nötigenfalls schlagfertig ist.
  • Auf bestimmte Fragen vorbereitet sein – wenn es um den Kauf der Pille danach geht etwa: Wann ist die Panne passiert? Wann ist der Eisprung zu erwarten (oder hat die letzte Menstruation stattgefunden)? Welche Medikamente werden noch (regelmäßig) eingenommen? Was gibt es darüber hinaus für gesundheitliche Besonderheiten, die eventuell in Wechselwirkung mit der Einnahme der Pille stehen könnten?
  • Falls es sich besser anfühlt: Eine Apotheke heraussuchen, die nicht unmittelbar im eigenen Viertel liegt.

Grundsätzlich sollte es weder beschämend noch in irgendeiner Weise kompromittierend sein, Medikamente welcher Art auch immer zu beziehen. Wenn ein*e Apotheker*in unprofessionell oder unsachlich auf ein*e Kund*in reagiert, kann eine Beratung, ein Gespräch oder der Kauf jederzeit beendet werden und eine andere Apotheke in Betracht gezogen werden. Falls sich das für eine*n gut anfühlt, könnte eine entsprechende Bewertung mit Kommentar und Warnhinweis in online-Portalen hilfreich sein – nicht zuletzt auch um andere Betroffene vor ähnlichen Erfahrungen zu schützen. 
 

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Gesine Kästner arbeitet für CADUS (https://www.cadus.org/de/) und ist als Kulturschaffende in der freien Szene umtriebig. Interessiert sich für Anarchismus, Punk und radikalen Feminismus, der nur intersektional zu machen ist.